Ziele und Struktur

Strukturbreiten von 50 nm und weniger, Aspektverhältnisse von 1:100 und mehr, die bahnbrechenden Erfolge der Plasmaoberflächentechnik weisen der Mikroelektronik und der Mikro- und Nanostrukturtechnik den Weg. Die einzigartigen Erfolge dieser Technologie beruhen nicht zuletzt auf neuen Plasmaquellenkonzepten, ohne die weder die Geschwindigkeit noch die Homogenität und Stabilität der Prozesse möglich gewesen wären. Bis zum heutigen Tage werden sowohl die Prozesse als auch die Quellen ständig weiter erforscht und weiter entwickelt, mit dem Erfolg, dass die Speicherkapazität noch größer, die Handys noch kleiner und die PCs noch leistungsfähiger werden. Maßgebend für diesen Erfolg ist die enge Verzahnung der Plasmadiagnostik mit der Prozesstechnologie, die in-situ Kontrolle der prozessrelevanten Parameter sowie deren Korrelation mit den erzielten Strukturen.

Die heutigen Beschichtungstechniken, sowohl die Kathodenzerstäubungsverfahren als auch die plasmaunterstützten Gasphasenabscheidungen werden ähnlich den Plasmaätzverfahren durch neue Quellenkonzepte beflügelt. Die Gemeinsamkeit der Fortentwicklung beider Techniken besteht in einer deutlichen Steigerung der Quellenleistungen bis in den Megawatt-Bereich sowie in einer gepulsten Leistungszufuhr, die eine gezielte Beeinflussung der Plasmaparameter bei gleichzeitiger Kontrolle der thermischen Belastung der Werkstoffe zulässt. Auf diese Weise werden die verwendeten Plasmen immer weiter in Richtung extremen Nichtgleichgewichts betrieben, um neue metastabile Hochleistungsschichten für tribologische Anwendungen im Maschinenbau abzuscheiden. Diese Schichtwerkstoffe sind nicht nur hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung einzigartig. Auch kann ihr nanostrukturierter Aufbau nur mit den neuesten Methoden der Plasmatechnik hergestellt werden.

Das Ziel des SFB-TR 87 ist es, durch Bündelung der Expertisen zweier auf den Gebieten der Plasmaphysik/Plasmatechnik und Werkstoffwissenschaften/Oberflächentechnik ausgewiesenen Standorte, Schichtsysteme mit einzigartigen tribologischen Eigenschaften auf Metallsubstraten sowie Barriereeigenschaften auf Kunststoffsubstraten zu erforschen. Dazu wird die neueste, teilweise selbstentwickelte Quellentechnologie zum Einsatz gebracht und mit einem sehr breiten Spektrum an quantitativen, ebenfalls teilweise neu entwickelten Plasmadiagnostiken, unterstützt durch Modellbildung und einmalige Einzelteilchenexperimente, charakterisiert. Ziel ist es weiterhin, die Zusammenhänge zwischen den Werkstoffeigenschaften und den Plasmaparametern zu erforschen und zur Plasmakontrolle, Schichtentwicklung und in-situ Schichtkontrolle einzusetzen. Auf diese Weise wird das bislang vorherrschende empirische Vorgehen überwunden und ein physikalisch und chemisch basiertes Prozessverständnis entwickelt.

Aus dem oben Beschriebenen ergibt sich der Leitgedanke des SFB:

„Das Ziel des SFB-TR 87 besteht darin, das empirische Vorgehen zu überwinden und die grundlegenden Mechanismen auf dem Syntheseweg in Hochleistungsplasmen zu erforschen und theoretisch wie auch experimentell zu beschreiben.“ 

Nur so können nach Meinung der Mitglieder visionäre Ziele wie Schichten mit extremer chemischer und physikalischer Belastbarkeit sowie Schichten mit bisher nicht erreichten Funktionalitäten wie z.B. der Photokatalyse gasförmiger toxischer Umweltverschmutzungen oder klimaschädlicher Abfallstoffe synthetisiert und auf handelsüblichen Grundwerkstoffen abgeschieden werden.

Der SFB-TR 87 ist daher wegbereitend für eine Fülle von Oberflächentechnologien auch für die Materialien zukünftiger Energiesysteme, die ohne die Erkenntnisse und den Fortschritt in der Plasmatechnik nicht möglich sein werden.


Die Struktur des SFB-TR 87 orientiert sich an den gewählten Beispielen, wobei die Grundlagen der Hochleistungsplasmen bestehend aus HPPMS (gepulste Hochleistungsmagnetronsysteme), MFCCP (kapazitiv gekoppelte Multifrequenzsysteme), MW (Mikrowellensysteme) und ICP (induktiv gekoppelte Hochfrequenzsysteme) die Verknüpfung darstellen. Weiterhin bildet der in nahezu allen Plasmen verwendete sog. arbiträre Bias eine starke Verknüpfung, der durch Überlagerung mehrerer Frequenzen in der Summe einen nicht-sinusförmigen Biasspannungsverlauf ermöglicht. Beginnend mit der PVD-Beschichtung der Komponenten für die Kunststoffverarbeitung (Projektbereich A: „Metallroute “ , links ), folgt die Kunststoffverarbeitung und darauf aufbauend die PECVD-Beschichtung der Kunststoffprodukte (Projektbereich B: „Kunststoffroute “, rechts ). Die Grundlagen der Plasmaprozesse (Projektbereich C, „Grundlagen“ , Mitte ) bilden die Basis für die Methodenentwicklung des SFB-TR 87, mit dem Ziel, ein grundlegendes Verständnis der Mechanismen auf dem Syntheseweg der Hochleistungsplasmabeschichtung zu erreichen. Aus Sicht der Antragsteller wird hier erstmals eine systematische Zusammenarbeit der Kompetenzbereiche Plasmatechnik und Oberflächentechnik verfolgt, die im gleichen Maße die Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften umfasst.

(Quellen: Werner & Pfleiderer und Renolit.)